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Draculara

Wenn wir uns für unser Zuhause schämen - "Pfui, du bist Messie!"

Wir schämen uns für das Zuhause, dafür dass es so aussieht, wie es aussieht. Dass es unordentlich ist, dass es dreckig ist, dass es den Besucher anekelt. Wir empfangen keinen Besuch, wir kommen immer an die Haustür und laden Freunde nur ins Café ein, weil wir nicht wollen, dass sie wissen, wie es bei uns ausschaut, und uns dafür verurteilen, wie ich das oben beschreibe, mit "Ih pfui, du bist ja Messie!"

Für die Gesellschaft sind wir nämlich der letzte Abschaum. Manche verwechseln sogar Messies mit Mietnomaden, denken, die hinterlassen die Wohnung so, wie das im Fernsehen gezeigt wird, ohne neue Meldeadresse, und der Eigentümer muss für 30000,-€ entrümpeln und bleibt auf seinen Kosten sitzen. Machen alles kaputt, reißen Armaturen aus der Wand und hauen Löcher in die Wände.

Dazu kann ich nur sagen: Es ist ein Unterschied, ob Vandalen sich einen Spaß draus machen, Wohnungen zu zerstören und die nächste Unterkunft verdreckt und demoliert bei Nacht und Nebel verlassen, oder ob ein Mensch mit der Haushaltsorganisation völlig überfordert ist, nicht mehr weiß wohin mit dem Kram und worauf er noch verzichten kann.

Die Reaktionen der Umwelt auf Menschen, die an Organisation und Reinigung scheitern, sind nun mal Ekel, Vorwurf, Herablassung und Entrüstung. Deshalb sind wir wahrscheinlich auch so sehr gerüstet mit Gerümpel. Wir wollen eben unsere Burg errichten, gegen die kleinliche Biedermanngesellschaft.

Ja, wir haben Schwächen, und, oh je, man sieht die auch. Na und, wenn jemand in Haushalt und Organisieren oder sonst was schwach ist, das ist doch nicht so schlimm, wie wenn jemand im Charakter schwach ist, oder?

Ich habe eine Orientierungsschwäche. Bin ich in einer fremden Stadt, suche ich mir Orientierungspunkte, an der und der Säule muss ich vorbei, die und die Ampel überqueren, da steht das und das Monument. Wenn ich zuhause was suche, weiß ich nur noch, wohin ich es zuletzt gelegt habe. Wenn ich das nicht weiß, muss ich es neu kaufen oder was anderes nehmen, dann ist es erst mal verloren gegangen.

Neulich suchten wir den Mietvertrag. Mein Mann ist größer und kam an das eine Regal dran, so fanden wir ihn wenigstens zu zweit.

Dass es keine Schlamperei und Schweinerei ist, Messie zu sein, das möchte ich allen Nicht-Messies mit auf den Weg geben, die zufällig hier drin lesen. Schlamperei und Schweinerei ist es, Kinder zur Ordnung zu zwingen, und wo die Kinderseele hinter der Sauberkeit zurückstecken muss. Oder zu behaupten, "wenn du sitzen bleibst, stecke ich dich zurück auf die Hauptschule." Obwohl das eine Mal Sitzenbleiben keine Schande gewesen wäre, im Gegenteil man hätte sich sogar enorm verbessert durch die Ehrenrunde.

Messies zu verurteilen, bringt die Messies nicht weiter. Es bringt auch die Normalos nicht weiter in ihrer sozialen Entwicklung. Sie wissen zu wenig über die Hintergründe. Wir können z. B. Borderliner nicht nach ihrem Äußeren beurteilen. Messies kann man auch nach dem Äußeren der Wohnung nicht beurteilen, selbst wenn das allgemeinhin so betrachtet wird!

Es gibt so viel schlimme Menschen, denen man weder an der Erscheinung, noch am Erscheinungsbild der Behausung ansieht, wie sie ticken! Dann verstehe ich die allgemeine Empörung nicht, die sich breit macht, wenn sich ein Messie mit seinem Chaos im Zuhause ausbreitet!

Messie Sein ist ein Stigma

Genau wie die Diagnose Schizophrenie, Borderline, Multiple Persönlichkeitsspaltung, Narzissmus, Bipolare Störung usw., ist die Bezeichnung "Messie" ein Stigma. Es bedeutet, dieser Mensch ist chaotisch, die Wohnung/das Haus ist chaotisch, und die meisten Leute assoziieren das Wort "Messie" mit "Leben im Müll". Es gibt Viele, die denken: "Messies sammeln leere Yoghurtbecher, ohne sie auszuwaschen, sie stapeln Zeitungen im Flur und schaffen es im Brandfall nicht nach draußen." Dass es brennen könnte, denken meist Raucher.

Es könnte auch so aussehen wie bei uns (siehe "eigene Messiefilme und Songs"). Messies können keine Ordnung herstellen. Sie wird meist von anderen hergestellt. Diese von Fremden hergestellte Ordnung kann nicht lange aufrecht erhalten werden. Kommt etwas dazu, gerät das bisher schöne Gesamtbild allmählich aus den Fugen.

Wer Messies besucht, weiß, dass sie bereits sehr viel aufgeräumt haben, obwohl die Dinge in den Regalen immer noch durcheinander liegen. Er weiß, dass er schön gedeckte Tisch nicht immer so schön aussieht, dass der gesaugte Fußboden, die geputzten Fenster das Ergebnis monate- oder wochenlanger Arbeit sind.

Es sind meist Angehörige, die wissen, dass wir Messies sind. Das Thema wird bewusst gemieden, auch das Thema Zuhause, Renovierung, Hauskauf wird mit uns nicht besprochen, weil wir die Letzten sind, deren Rat man einholen würde. Oft merken wir sehr genau, dass wir überall außen vor sind, dass wir die schwarzen Schafe der Familie sind.

Dieser Frust wirkt sich negativ auf die Psyche aus. Depressionen sind gerade bei Messies keine Mangelware. Wir fühlen uns minderwertig, nicht nur, weil wir gerade vom Besuch in einer Muster-Normalo-Wohnung kommen, wo alles schön und sauber ist. Auch weil alle wissen, bei uns sieht es nicht halb so schön aus. Weil wir wissen, dass wir hinter vorgehaltener Hand als Messies degradiert werden.

Wir haben den Eindruck, wir sind nicht nur Nichte, Neffe, Schwager, Schwester usw., sondern wir sind dort auch "die Messies". Auch wenn es niemand ausspricht, können wir am geringschätzigen Gesichtsausdruck sehen, was sie von unserer Lebensweise halten.

Das Stigma "Messie" liegt auf unserer Personenbeschreibung, steht in unserem Lebenslauf, das Wort "Messie" fällt, wenn man sich eine Wohnung ansieht und der Vermieter mit dem jetzigen Vermieter spricht. "Messie" heißt das Zauberwort, auf dessen Aussprechen wir zusammen zucken, durch das wir keine Wohnung finden, das uns den Umgang mit Freunden und Bekannten erschwert.