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Draculara

Was versteht man allgemein unter dem Messie-Syndrom?

Messies horten für andere Menschen wertlose Gegenstände, zu denen sie einen persönlichen Bezug haben. Diese sind oft ein Ersatz für fehlende zwischenmenschliche Beziehungen.


Messie-Syndrom bezeichnet umgangssprachlich eine Störung, die Psychologen "zwanghaftes Horten" oder "compulsive hording" nennen. Betroffene sammeln eigentlich unnötige Dinge und können sich davon nicht trennen. Im Extremfall füllen die Sammlerstücke schließlich die eigene Wohnung vollständig aus. Die Sammelwut kann sich dabei auf unterschiedliche Dinge beziehen, von Zeitungen, alten Unterlagen und Verpackungsmaterialien, über Geschirr, Spielsachen und Kleidung bis hin zu Elektrogeräten und Daten auf dem Computer.

Das Messie-Syndrom ist weit verbreitet

Den vom englischen Wort "mess" für "Durcheinander" abgeleiteten Begriff Messie-Syndrom prägte die selbst betroffene US-amerikanische Sonderschulpädagogin Sandra Felton bereits in den 1980er-Jahren. Als eigenständige Störung gilt es aber erst seit der Neufassung des amerikanischen Klassifikationssystems für psychische Erkrankungen (DSM-5) im Sommer 2013. Experten schätzen, dass in Deutschland über zwei Millionen Messies leben. Frauen scheinen etwas häufiger betroffen zu sein als Männer. Das könnte aber auch damit zusammenhängen, dass sie eher therapeutische Hilfe suchen. Zudem soll es bei Messie-Männern öfter vorkommen, dass die Partnerin für sie aufräumt und damit ihren Leidensdruck reduziert. Ob junge Mutter oder alleinstehender Senior, Sachbearbeiter oder Manager, das Messie-Syndrom tritt quer durch alle Altersstufen und sozialen Schichten auf.

Messies haben oft persönlichen Bezug zu Dingen

Menschen mit Messie-Syndrom bereitet es Schwierigkeiten, den tatsächlichen Wert der Dinge abzuschätzen. Sie können schlecht zwischen wichtig und unwichtig, brauchbar und unbrauchbar unterscheiden. Weil die Betroffenen den Objekten ihres Sammeldrangs eine persönliche Bedeutung oder einen potenziellen Nutzen beimessen – nach dem Motto "das kann ich bestimmt noch irgendwann gebrauchen"– sind sie außer Stande, etwas davon wegzuwerfen. Der Offenbacher Psychotherapeut Werner Gross, der schon mit vielen Messies und deren Angehörigen gearbeitet hat, sagt deshalb auch, dass "Messies den gesammelten Gegenständen einen hohen emotionalen Wert beimessen und mitunter wie verschmolzen mit diesen Dingen sind. Weil sie oft wie ein Ersatz für menschliche Beziehungen sind, ist es so schwer, sie wieder loszulassen."

Stattdessen stellen Messies ihre Wohnung damit voll. Dies kann so weit gehen, dass zwischen meterhohen Haufen, Kisten- und Säckestapeln nur noch ein paar enge Fußwege unverstellt bleiben. Anders als bei "normalen" Sammlern werden meist verschiedene Gegenstände gehortet. Nur eine kleine Minderheit der Betroffenen sammelt Abfälle und Essensreste und lebt inmitten von Schmutz und Ungeziefer. Nichtsdestotrotz prägen die seltenen Extremfälle dieses sogenannten Vermüllungssyndroms das Bild der Messies in den Medien.

Betroffene können schlecht Prioritäten setzen

Das äußerliche Chaos spiegelt oft die innere Unordnung der Betroffenen wider. Menschen mit Messie-Syndrom haben häufig Probleme, ihren Alltag zu organisieren. Das betrifft insbesondere eine Planung und Zeiteinteilung, die anstehenden Aufgaben gerecht wird. Es fällt vielen Betroffenen schwer, Prioritäten zu setzen, dringend Notwendiges schnell zu erledigen und so vorzugehen, dass sie ein selbst gestecktes Ziel erreichen. Messies stürzen sich oft voller Elan und mit einem ausgeprägten Hang zu Perfektionismus in neue Projekte. Diese erweisen sich dann aber als zu groß und zu aufwändig, deshalb bleiben sie angefangen liegen. Dadurch verstärken sie noch das Durcheinander im Leben der Betroffenen.

Die Tendenz zum Sammeln und Horten besteht bei Menschen mit Messie-Syndrom oft schon in der Jugend. Die Mehrheit der Betroffenen wird aber erst ab Mitte 30 deutlich von der Störung beeinträchtigt. Ohne Behandlung nimmt die Schwere der Symptome mit dem Alter zu.

Messie-Syndrom führt zu Scham, Ängsten und Anspannung

Nach außen hin führen Messies meist ein normales, unauffälliges Leben, wirken gepflegt und kleiden sich nicht selten sogar besonders elegant. Anderen Menschen erscheinen sie oft als optimistisch, vielseitig interessiert und kreativ. Auch im Beruf sind viele Betroffene erfolgreich und engagiert, mit einer Tendenz zum Perfektionismus bis hin zur Selbstüberforderung. Doch damit kaschieren sie ihre Probleme im privaten Bereich. Häufig kreisen ihre Gedanken nur darum, wie sie alltägliche Aufgaben wie Haushaltsführung oder die Koordination von Terminen bewältigen können. Wenn sie daran immer wieder scheitern, gibt ihnen das ein Gefühl der Ausweglosigkeit. Überfordert vom Alltag empfinden Messies ihr Leben dann als zerrissen und chaotisch. Sie leiden oft unter Ängsten und mangelndem Selbstwertgefühl und sind innerlich sehr angespannt.

Hinzu kommt, dass Menschen mit Messie-Syndrom sich wegen der Unordnung in den eigenen vier Wänden schämen. Deshalb laden sie meist niemanden mehr zu sich ein. Oft lehnen sie auch Einladungen in die Wohnung von anderen ab. Weil häufig selbst enge Bezugspersonen nur geringes Verständnis für das häusliche Chaos aufbringen, ziehen sich Messies sozial immer weiter zurück – um Anschuldigungen zu entgehen und sich nicht ständig rechtfertigen zu müssen.

Statt Beziehungen zu Menschen aufzubauen, klammern sie sich an die Objekte, die sie horten. So können sie völlig vereinsamen. "Viele Messies sind sehr sensibel, vielseitig interessiert und leicht verletzbar. Sie sehnen sich nach intensiven menschlichen Beziehungen, haben aber das Gefühl, sie genügen den Vorstellungen der anderen nicht. Deshalb ziehen sie sich in das Schneckenhaus ihrer überladenen Wohnung zurück", erklärt Werner Gross vom Psychologischen Forum Offenbach (PFO).

Häufig weitere psychische Erkrankungen vorhanden

Was das Messie-Syndrom verursacht, ist noch weitgehend unklar. Lange Zeit nahm die Wissenschaft an, dass die Störung eine Folgeerscheinung anderer psychischer Erkrankungen ist. Allerdings leiden zwar viele, aber längst nicht alle Messies an Depressionen, ADHS, Demenz oder Zwangsstörungen. Deshalb betrachten inzwischen manche Experten das Messie-Syndrom als eigenständiges Krankheitsbild.

Häufig wird das zwanghafte Horten mit Bindungsstörungen erklärt, die sich in den ersten Lebensjahren durch mangelnde Zuwendung der Eltern entwickeln. Um die fehlende Nähe und die Verlustängste zu kompensieren, bauen die Betroffenen emotionale Beziehungen zu den Gegenständen auf, die sie sammeln.

Außerdem haben Messies überproportional oft traumatische Erlebnisse und Schicksalsschläge wie den Tod einer geliebten Person erlebt. Darüber hinaus tritt die Störung familiär gehäuft auf. Das spricht dafür, dass auch die Gene an der Entstehung beteiligt sein könnten.

Bildgebende Verfahren wie die funktionelle Magnetresonanztomografie deuten auch auf Besonderheiten der Gehirnfunktion hin: Bei Betroffenen soll der präfrontale Cortex anders arbeiten als bei Gesunden. Dieser Teil des Stirnhirns kontrolliert den offenbar angeborenen Instinkt zum Sammeln und passt ihn an die gesellschaftlichen Normen an.

Zur Diagnose Messie-Syndrom gehören mehrere Kriterien

Die Diagnose stellen Psychotherapeuten und Ärzte anhand der Symptome. Wichtig ist dabei, zwischen Messies und Menschen mit einer vielleicht exzentrischen, aber doch "normalen" Sammelleidenschaft zu unterscheiden. Um das zu erleichtern, haben Wissenschaftler diagnostische Kriterien für das Syndrom erarbeitet: Betroffene können sich nur schwer von persönlichen Besitztümern trennen, auch wenn sie noch so unnütz sind. Außerdem beeinträchtigt das zwanghafte Horten das berufliche oder soziale Leben. Auch fehlende Krankheitseinsicht gilt als Diagnosemerkmal. Zumindest nach außen hin sind manche Messies überzeugt, dass ihr Verhalten kein Problem darstellt. Diese Haltung verhindert nicht selten, dass die Betroffenen selbst Hilfe suchen. Häufig sind es der Partner oder die Familie, die sich an einen Psychotherapeuten, Arzt, Psychiater oder an eine Beratungsstelle wenden.

Verhaltenstherapie, um Messie-Syndrom zu behandeln

"Die beste Behandlungsmethode beim Messie-Syndrom ist eine Kombination aus Verhaltenstherapie und tiefenpsychologisch fundierter Psychotherapie", sagt Gross. Der Patient bespricht in den Therapiesitzungen seine Situation. Der Verhaltenstherapeut erteilt ihm Ratschläge und unterstützt ihn, zum Beispiel wie er Arbeitspläne erstellt und einhält. Die Verhaltenstherapeuten gehen aber auch mit nach Hause. Dort muss der Messie lernen, sich der angstauslösenden Situation zu stellen und sich von seinen Sammelobjekten zu trennen. Der Therapeut leistet ihm beim Aufräumen Gesellschaft und ermutigt beim Aussortieren, Wegwerfen und Verstauen.

Mit der Verhaltenstherapie schaffen es zwar viele Betroffene, ihr Handeln zu ändern und die Probleme in den Griff zu bekommen. Das bedeutet aber nicht zwangsläufig, dass sie geheilt sind. Manche Messies bezeichnen sich als "trocken", weil sie wie Alkoholiker immer wieder Gefahr laufen, einen Rückfall zu erleiden. Gross warnt: "Oft reicht das oberflächliche Aufräumen der Wohnung nicht aus, wenn nicht auch die tiefer liegenden Ursachen behandelt werden. Es ist meist notwendig, auch seine Seele aufzuräumen und emotional zu verstehen, für was das Sammeln ein Ersatz ist – sonst sieht die Wohnung nach 14 Tagen wieder genauso aus wie vorher."